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chon die neoklassizistische Fas-
sade des 1913 errichteten Gebäu-
des beeindruckt. Umso mehr gilt
das für dessen Kernstück, den 266 Qua-
dratmeter großen „Meistersaal“. Das liegt
nicht allein am edlen Ambiente samt pur-
purnen Vorhängen, Kronleuchtern und
der sieben Meter hohen Holzkastendecke
mit vergoldetem Stuck, sondern auch an
der Gänsehaut erzeugenden Atmosphäre.
Jahrhundertpianist Claudio Arrau spielte
hier vor dem Krieg das gesamte Klavier-
werk Johann Sebastian Bachs ein, kriti-
sche Geister wie Kurt Tucholsky (Lesun-
gen) ließen sich ebenso von der Aura des
Saales beeindrucken wie SS-Schergen,
die hier Bälle feierten. Durch die Teilung
Berlins wurde das ehemals im Herzen
der Hauptstadt liegende Gebäude fast
ins Niemandsland gedrängt, erst recht,
als nicht einmal 200 Meter entfernt die
Mauer errichtet wurde. Zudem war das
Gebäude durch den Krieg teilweise zer-
stört worden. Der Meistersaal war zwar
unbeschädigt geblieben, büßte aber im
Laufe der Jahre immer mehr an Glanz ein.
Ganz vergessen wurde er zwar nicht,
nutzte die Plattenfirma Ariola doch
seine gute Akustik für Tonaufnahmen.
Doch erst als 1976 die Meisel-Brüder den
gesamten Gebäudekomplex aufcauften
und dort die Hansa Studios einrichteten,
gewann er wieder auch an internationaler
Bedeutung. Ironischerweise war es gerade
sein damals schmuddeliger Charme im
Schatten der Mauer, der auf morbide
angelsächsische Rockmusiker wie David
Bowie, Iggy Pop, Nick Cave oder Depe-
che Mode eine besondere Anziehungs-
kraft ausübte. Sie alle ließen sich von „The
big hall by the wall“ inspirieren - inklu-
sive Blick auf einen Wachturm, von dem
schon mal Grenztruppen der DDR ins
Studio hinunterwinkten. So entstanden in
den Hansa Studios Songs, die unser Leben
seitdem begleiten, wie „Heroes“ (David
Bowie), „The Passenger“ (Iggy Pop), „Peo-
ple Are People“ (Depeche Mode), „Kayl-
eigh“ (Marillion) oder „One“ (U2).
Songs unseres Lebens
W obei die Hansa Studios mehr sind
als dieser eine berühmte Saal. Früher
erstreckten sie sich über das gesamte
Gebäude, heute firmiert nur noch das
Studio im vierten Stock unter diesem
Namen (der Meistersaal kann aber bei
Bedarf für Aufnahmen genutzt werden).
1977 war dieses Dachstockwerk noch
eine Ruine, die erst 1981 renoviert und
ausgebaut wurde - und ein wenig merkt
man das immer noch, denn kurz nach
Beginn des Rundgangs muss Toninge-
nieur Alex Morcöl erst einmal dringend
einen Klempner engagieren. Grund: In
einem Raum, in dem Kabel aufoewahrt
34 STEREO 2/2014